Simone in Nöten

Kurzgeschichte über die Lust am schmerzenden Popo. Autor: Ruth Rohr

Instinktiv hatte sie vom ersten Augenblick Angst vor der Martina gehabt. Die stämmige Blondine hatte etwas Bedrohliches. Sie wusste auch nicht, was Martina eigentlich bei Frau Drescher zu suchen hatte. Klavierunterricht bekam sie jedenfalls nicht von ihr – vielleicht war sie ja so etwas wie eine Assistentin? Heidi wusste es auch nicht. Und Heidi wusste normalerweise alles, so neugierig wie sie war. Aber sie wusste noch nicht mal, wie alt die Martina war. Ein Jahr älter als sie bestimmt, da war sie sich sicher. Und ausgerechnet die Martina musste sie erwischen! Beim Lauschen. Wie überaus peinlich! Schon seit einiger Zeit hatte sie ja bemerkt, dass die Frau Drescher häufiger als früher mit der Heidi nach hinten ging. Gleich nach dem Unterricht verschwand sie mit ihr im dunklen Korridor. Und dann kam Heidi meistens ziemlich verheult wieder zum Vorschein. Nun war Simone ja neugierig, das musste sie selber zugeben.

Und hatte es nicht mehr ausgehalten. Die Neugier hatte sie getrieben. Ja, neugierig war die Simone nun mal, da konnte sie nichts gegen machen. Und da hockte sie jetzt vor der verschlossenen Tür zum Hinterzimmer und versuchte angestrengt, durchs Schlüsselloch zu spähen. Aber da steckte offenbar der Schüssel von innen drin, und sie konnte beim besten Willen nichts sehen. Aber hören konnte sie. Was für seltsame Geräusche… ein Pfeifen hörte sie und dann ein Klatschen – ja, das war der Rohrstock, der auf Heidis nackte Pobacken traf und dort einstriemte. Dann ein Quietscher und halb unterdrückter Schrei von Heidi und dann… so ein Schnaufen, eine Art Stöhnen… von der Drescher? Ja, bei ihr stöhnte sie doch auch immer so komisch. Simone war sehr aufgeregt, wie sie da hockte und erregt lauschte. So vieles ging ihr durch den Kopf. Frau Drescher war doch heute so fröhlich gewesen, so auffallend gut gelaunt – warum war sie dann jetzt so streng mit der Heidi? Ja, sie hatte beim Spielen eine Menge Patzer gemacht, das konnte Simone gut hören, als sie im Vorzimmer wartete (sie war ja als nächste dran) – aber solche Fehler machte die Heidi doch immer, es war eigentlich kein Grund für die Drescher, sie mit nach hinten zu nehmen. Deshalb staunte Simone ja auch so, als plötzlich die Tür aufging und Frau Drescher zu ihr sagte: "Es dauert noch ein Weilchen, Simone, ich muss mit der Heidi noch nach hinten gehen."

Sie staunte vor allem deshalb, weil Frau Drescher das gar nicht mit ihrer strengen Stimme sprach, wie sonst wenn sie ärgerlich war. Nein, sie war so fröhlich dabei! Simone würde sich nicht gewundert haben, wenn sie gewusst hätte, welchen Anlass Frau Drescher für ihre ungewöhnliche Fröhlichkeit hatte. Was für ein unverhofftes Glück war das doch! Wie lange schon hatte sie davon geträumt, sich diese kleine Göre mal richtig vornehmen zu können – so nach Herzenslust… und nun das! Heidis Mutter hatte sie vor ein paar Tagen aufgesucht und nach längerem Drucksen gestanden, dass sie in finanziellen Nöten sei und deshalb gezwungen wäre, den Klavierunterricht aufzugeben. Welch eine Aussicht für Frau Drescher! Mühsam hatte sie die jähe Freude verbergen können. "Aber nicht doch, wo denken Sie hin!" hatte sie gesagt und der besorgten Mutter erklärt, was für ein Jammer es wäre, wenn Heidi die so aussichtsreich verlaufende Ausbildung nun abbräche! Im Gegenteil, sie müsse jetzt Förderstunden erhalten.

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