Es ist schon einige Jahre her, dass ich geschäftlich längere Zeit in England unterwegs war. Nach einigen Monaten kreuz und quer durch Südwestengland zeichnete sich ab, dass sich der Schwerpunkt meiner Tätigkeit in Oxford und Umgebung konzentrieren würde. Am Anfang probierte ich unterschiedlichste Unterkünfte und Hotels, die auch ganz leidlich in Ordnung waren, konnte mich aber nirgends so richtig einrichten.
Beim Smalltalk mit einem Geschäftsfreund kamen wir zufällig auf das Thema Dienstreisen und Hotels, und meine nicht ganz so zufriedenstellende Situation. Zu meinem Erstaunen fragte er mich, ob ich denn Interesse daran hätte, das Hotelzimmer gegen ein kleines Cottage einzutauschen. Er wüsste da etwas, und könne sich erkundigen, ob es denn noch zu vergeben sei.
Ich bekundete verhalten mein Interesse. Nach der Beschreibung meines Bekannten klang das Ganze gar nicht so schlecht: ein Cottage mit Küche, Bad und zwei Zimmern, klein zwar, aber für mich allein in angeblich ruhiger und landschaftlich reizvoller Umgebung an einem Flüsschen gelegen.
Da wir uns in den darauffolgenden Tagen nicht mehr sahen, vergaß ich das Gespräch zunächst wieder, denn es war ja nur Smalltalk gewesen. Ungefähr eine Woche später aber rief er mich an, und fragte, ob ich noch an dem Cottage interessiert sei. Es sei noch zu haben, und der Preis klang attraktiv. Er teilte mir mit, an wen ich mich wenden müsse - offensichtlich eine entfernte Verwandte von ihm - und bald machte ich mich auf, mir das Ganze mal anzuschauen.
Die Verwandte, so stellte sich heraus, war recht wohlhabend, und vermietete das Cottage wohl eher aus dem Grund, dass es nicht leer stand und damit Ziel eines leichten Einbruchs wurde - die Miete war lächerlich gering. Als sie mir auch noch anbot, mir eine »Maid« ein bis zweimal die Woche zum Putzen vorbeizuschicken, der ich nur ab und zu ein ordentliches Trinkgeld geben sollte, nahm ich ihr Angebot ohne weiteres Zögern an.
Das Cottage lag wirklich sehr schön am Seitenarm eines kleinen Flüsschens, der früher wohl mal als Zufluss zu einer Mühle gedient hatte. Von dieser war allerdings weit und breit nichts mehr zu sehen. Rundherum umstanden hohe Bäume das Ufer, darunter viele Erlen und Ulmen, und dazwischen lag mein einsames Cottage. Insgesamt ein idyllisches Plätzchen, mit viel Ruhe. Der nächste Ort, Sandford, lag etwa 3 Meilen (ca. 5 km) entfernt.
In den nächsten Tagen machte ich es mir denn auch in den sehr altertümlich eingerichteten Räumen gemütlich. In dem Bett mit samtenem, dunkelblauem »Himmel« hätte vom Aussehen her wohl auch schon im 16. Jahrhundert jemand übernachten können, aber zu meinem Erstaunen war es sehr bequem.
Auch an das große, plüschige Sofa in dunkelrot, das als Prunkstück mein »Wohnzimmer« zierte, gewöhnte ich mich sehr schnell. Dachte man sich den Fernseher weg, so hätte man sich glatt einige Jahrhunderte zurückversetzt fühlen können.
-
Version 1.0.0
-
-
7. November 2022 um 17:29 -
57,09 kB -
88 Downloads
-
Jetzt mitmachen!
Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!
Neu erstellte Kommentare unterliegen der Moderation und werden erst sichtbar, wenn sie durch einen Moderator geprüft und freigeschaltet wurden.
Neu erstellte Kommentare unterliegen der Moderation und werden erst sichtbar, wenn sie durch einen Moderator geprüft und freigeschaltet wurden.