„Mir geht’s nicht gut, Mama“, sagte meine Tochter Samantha, als ich nachsehen kam, warum sie noch nicht aufgestanden war. „Ich glaube, ich habe Fieber“, klagte sie. Bevor ich gehen konnte, um das Thermometer zu holen, fügte sie noch hinzu: „Und bringst Du mir einen Becher Kräutertee mit, bitte?“ Ich wunderte mich. Sonst machte sich Fräulein Tochter doch nichts aus Kräutertee. Doch ich erfüllte ihr den Wunsch und brachte ihr den Tee. „Miss erst einmal Fieber“, sagte ich. „Ich komme gleich wieder und schaue nach dir.“
„Hat’s schon gepiepst?“, fragte ich, als ich zurückkehrte. Meine Tochter nickte; mit dem Thermometer im Mund konnte sie ja auch schlecht sprechen. „Dann lass mal sehen.“ Sie reichte mir das Thermometer. „39,7“, sagte ich ungläubig. So krank sah Samantha gar nicht aus. Üblicherweise konnte ich es in ihren Augen sehen, wenn sie hohes Fieber hatte. Da fiel mein Blick auf den noch unangerührten Becher Tee und ein Verdacht kam in mir auf: War heute nicht die Mathematikarbeit, für die Samantha lernen musste, weswegen sie angeblich keine Zeit gehabt hatte, mir am Wochenende im Haushalt zu helfen? Das hatte sie dennoch nicht davon abgehalten am Samstagnachmittag mit ihren Freundinnen shoppen zu gehen. Dafür war dann doch Zeit gewesen..
.Ich beschloss das vermeintliche Spiel mit zuspielen und ihr – sollte sich meine Vermutung bestätigen – eine Lektion zu verpassen. „Was hast du denn?“, fragte ich. „Ich weiß nicht. Ich glaube nur Fieber“, antwortete meine Tochter. „Ich denke, dann bleibst du heute besser zu Hause“, sagte ich. Für einen kurzen Moment konnte ich Freude in den Augen meiner Tochter auf blitzen sehen. Doch dann fügte ich an: „Und ich bringe dich besser zum Arzt.“ Samantha protestierte, dass das nicht nötig sei, dass es ihr zudem viel zu schlecht zum Aufstehen gehe.
Aber ich unterbrach sie: „So eine unklare Erkrankung lässt man besser vom Arzt ab checken. Nicht, dass es etwas Ernstes ist.“ Nun sah Samantha nicht mehr so glücklich aus.Ich beschloss, nicht ihren Kinder- und Jugendarzt anzurufen, sondern Dr. Schwarz, meinen Hausarzt. Er war ein älterer Herr, der fand, dass man Jugendlichen von heute viel zu viel durchgehen ließ. Ich hatte einen guten Draht zu ihm. Er würde mich bei meinem Plan sicherlich unterstützen. Ich hatte Glück und erreichte ihn auf seinem Handy. Kurz darauf war ich wieder bei Samantha und kündigte ihr an: „Zieh dich an, wir fahren gleich zu Dr. Schwarz.“ „Was ist mit Dr. Schilling?“, fragte Samantha nach dem Arzt, zu dem sie sonst immer ging. „Er hatte so kurzfristig keinen Termin frei“, flunkerte ich.
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November 2, 2022 at 11:31 AM -
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