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Wir müssen reichlich unzeitgemäß gewirkt haben; Marianne (gerade 18) und ich (ein Jahr älter). Wir hörten abends Led Zeppelin, dampften heimlich Joints durch und schliefen miteinander, sooft es möglich war (es war sehr oft möglich, wir hatten da unsere Strategien und unseren Lieblingsplatz am Waldrand!) … und das alles, nachdem wir tagsüber (denn so hatten wir uns kennengelernt) als Pfadfinderführer im Sommerkamp 25 entsetzlich laute 13-Jährige einigermaßen unter Kontrolle gehalten haben. Also: Es muss reichlich toll ausgesehen haben: Sexversessenheit im blauen Pfadfinderhemd! Joints und Whisky in der kurzen Lederhose! Versoffen-verträumte Spätpubertät, die erste „wahre“ Liebe, Hermann-Hesse-Zeit mit eigenen, literarisch natürlich völlig unerheblichen Gedichten … und jeden Tag 'ne gute Tat! Wir waren halt krachlederne Freaks und haben das – wenn wir überhaupt darüber nachdachten – nie als Widerspruch empfunden. Warum auch!
Eines Abends – am nächsten Tag stand ein harter Wandertag an, sodass relativ früh Ruhe herrschen würde, und Birte, die Campleiterin, zwinkerte uns verständnisvoll unsere Entlassung zu – waren wir bereits gegen 9:00 Uhr am Waldrand, an unserem Waldrand. Marianne – es waren immer noch 26 C – noch voll ´uniformiert´, ich in kurzer Grauer mit Streifen-Shirt. Im Rucksack das übliche Inventar: Wein, Gedichte, Präservativ. Und, na klar, Knaster („Nun baue ihn schon, Alter!“). Und dann, joint rauchend dem Sonnenuntergang entgegen, die ewig gleichen Spiele! Ganz langsam, ganz sachte knöpfte sie mir den Latz ab, fuhr kurz mit der Hand hinein, zog sie dann wieder ab, grinste mich frech an, mit ihrer blonden Mähne plus brauner (Jawohl!) Augen.
Bis dann …
„So, die jungen Herrschaften, das sind also die Pfadfinder von heute: Saufen auf meinem Feld, und auch noch rauchen!“ Es war der Bauer, der uns im Camp mit Frischmilch versorgt hat.
„Äh“ … wir waren geschockt, „äh … Entschuldigung!“ und ich wollte schon gehen.
„Was heißt hier ´Entschuldigung! Hier einfach Rauchen nach wochenlanger Trockenheit – als Pfadfinder solltet ihr's besser wissen. Das hat Folgen. Schlankerhand gefragt: Polizei oder Rohrstock?“ Wir glaubten, nicht richtig zu hören! Rohrstock? 1988? Der hatte ja 'n Knall! Nur: Er hatte keinen Knall, sondern meinte es einfach Ernst! Ich wollte gerade mit ironisierender Pöbelei anfangen, als ich zu meiner beträchtlichen Fassungslosigkeit Marianne auf einmal hauchen hörte: „Rohrstock!“ Wie? Warum denn das? Was war denn mit Marianne los?
Und warum gingen wir dann mit wie die Lämmchen? Warum brachen wir nicht einfach in schallendes Gelächter aus? Dazu weiter unten mehr … jedenfalls: Wir gingen mit, hin zur Scheune (eigentlich nur ein Verschlag) weiter unten an der Straße! Mich fröstelte, sodass ich mir mein Pfadihemd überzog, mich fröstelte und kam mir vollkommen fremd vor, als wir dem Bauern schweigend in die beginnende Nacht folgten – fremd … und zugleich ungeheuer angespannt. Hier passierte etwas, was so noch nie da war, für das ich keine Regeln hatte. Ich kannte mich nicht aus.
